Ein Extremtest bot sich an, da ein E-Transporter für einen Marketing-Einsatz auf Mallorca auf eigener Achse überführt werden sollte. Der ausgewählte Maxus eDeliver9, ein 3,5t-Kastenwagen mit 72 kWh-Batteriekapazität, ca. 250 km Reichweite und auf 100 km/h abgeregelter Höchstgeschwindigkeit soll stellvertretend für diese Fahrzeugklasse mit Elektroantrieb stehen.
Gestartet wird am frühen Nachmittag mit fast vollem Akku vom neuen EnBW-Ladepark am Technikmuseum in Berlin. Etwa 2.000 Kilometer und geschätzte 12 Ladestopps liegen vor uns. Fixer Termin ist die gebuchte Fähre ab Barcelona und zur Sicherheit sind drei Tage inklusive einer privaten Stippvisite in Thüringen für die Reise eingeplant.
Bereits beim ersten Ladestopp nach knapp 180 Kilometern in Halle/Saale zeigt sich, dass die Reichweite für den Alltagseinsatz in einem Handwerksbetrieb oder bei einem städtischen Lieferdienst völlig ausreicht. Nach 30 Minuten am Schnellladepunkt ist der Akku wieder zu über 80% geladen, so dass sich gesetzlich vorgeschriebene Mittagspause und Ladebedarf prima kombinieren lassen. Die nur sehr kleine Etappe des ersten Tages ist kurz hinter Erfurt erreicht.
Am nächsten Morgen wird während des Frühstücks der Akku geladen und weiter geht es über Frankfurt/Main bis Hockenheim zur nächsten Übernachtung. Die zweitlängste Etappe mit insgesamt vier Ladestopps an gut funktionierender und reichlich vorhandener Infrastruktur liegt hinter uns. Das häufig gegen Elektromobilität vernommene Argument fehlender Ladesäulen trifft auf den Magistralen unseres Landes definitiv nicht zu. Vermisst werden eher Ladepunkte, wo Fahrzeuge länger stehen, wie z.B. beim Hotel in Hockenheim. Da das Aufladen über Nacht nicht möglich war, wurde es auf den Folgetag, wieder während des Frühstücks verschoben. Die längste Etappe mit guten 1.000 Kilometern liegt vor uns.
Der erste Ladestopp der Etappe und gleichzeitig die letzte Ladung in Deutschland erfolgt kurz hinter Freiburg und dann geht es über den Rhein nach Frankreich. Wird die mitgeführte EnBW-Ladekarte überall akzeptiert?
Beim ersten Stopp zwischen Mulhouse und Besançon fiel die Entscheidung für einen Besuch am Tesla-Supercharger, da die Geduld nicht ausreichte, um die Ladesäule des Anbieters R3 zum Leben zu erwecken. Hätte sicher noch geklappt, jedoch war die Nähe des Tesla-Chargers in Verbindung mit dem Zeitvorteil gar zu verlockend.
Ansonsten funktionierte die EnBW-Ladekarte an allen Stationen bis zur spanischen Grenze. Ein Ausreißer war technischer Natur, da die ABB-Ladesäulen, welche häufig von Total-Energies eingesetzt werden, zwar die Ladekarte akzeptierten, jedoch Kommunikationsprobleme mit dem aus China stammenden Transporter hatten. Abhilfe schaffte eine Ladestation älteren Datums mit geringer Ladeleistung nebst nicht abschaltbarer Kopplung an den daneben befindlichen Autostaubsauger. Der mit Abstand lauteste Ladevorgang auf der Reise.
Eine positive Überraschung bot das IBIS-Hotel in Perpignan, kurz vor der spanischen Grenze, welches auf dem Hotelparkplatz zwei Schnelllader mit 4 Ladepunkten besitzt und somit das komplette Aufladen während des Frühstücks für die restliche Strecke bis Barcelona zum Fährhafen ermöglichte. Dort angekommen dann die letzte kurze Ladepause, um den Wagen mit einem gut gefüllten Akku dem Empfänger auf Mallorca übergeben zu können.
Kurzes Zahlen-Fazit: Verbraucht wurden auf den gut 2.000 zurückliegenden Kilometern 572 kWh, welche über die EnBW-Ladekarte und den Tesla-Account mit 212 EUR netto berechnet wurden. Ein identisches Fahrzeug mit Dieselmotor würde bei gemäßigter Fahrweise zwischen 10 und 12 Liter verbrauchen und bei ca. 1.50 EUR netto pro Liter somit zwischen 285 und 342 EUR netto kosten. Die Ersparnis pro km wird im Arbeitsalltag noch größer, da urbanes Start-Stopp-Fahren sowie häufige Kaltstarts den Verbrauch beim Verbrenner nach oben treiben, der Stromer dagegen in seinem effizienten Element ist. Dank Rekuperation wird Energie beim Bremsen zurück in den Akku gespeist und die Motortemperatur spielt für den Verbrauch keine Rolle.
Als Resümee lässt sich feststellen, dass auch ein längerer Trip mit einem Elektrotransporter möglich ist. Nach etwa 200 km eine halbe Stunde Ladezeit einzuplanen, ist eine realistische Empfehlung. Beträgt der tägliche Einsatzradius weniger als 200 km und besteht auch noch die Möglichkeit, das Auto außerhalb der Nutzungszeit am eigenen Stromanschluss zu laden, dann kann ein Elektro-Transporter ohne Einschränkungen und deutlich günstiger genutzt werden als ein Diesel.