Daher verfügt in der Regel jeder Franchisegeber zumindest über ein so genanntes „Handbuch“, in dem zahlreiche Richtlinien gesammelt werden. Im Zusammenhang mit solchen Handbüchern in Franchisesystemen sind ganz unterschiedliche Begriffe wie „Franchisehandbuch“, „Partnerhandbuch“ oder „Betriebshandbuch“ anzutreffen, die letztlich dieselbe Bedeutung haben. Es geht um die Sammlung von einerseits verbindlichen Richtlinien und andererseits unverbindlichen Empfehlungen des Franchisegebers, in denen beschrieben wird, wie ein Systembetrieb in dem Franchisesystem geführt werden muss, um die gewünschte Quasifilialität zu erreichen, die Einhaltung des Franchisekonzepts zu gewährleisten und dem Franchisenehmer zu der gewünschten „Teilnahme an dem Systemerfolg“ zu verhelfen. Letztlich stellt das Handbuch die Bedienungsanleitung für ein Unternehmen dar.
Im Zusammenhang mit der Verwendung solcher Handbücher bestehen einige rechtliche Anforderungen, die zu beachten sind und die im Folgenden kurz erläutert werden.
I. Keine Regelung der Leistungspflichten der Franchisenehmer
Zunächst einmal sind die Leistungspflichten des Franchisenehmers nicht in dem Handbuch, sondern im Franchisevertrag zu regeln. Dabei geht es nicht nur um Hauptleistungspflichten wie die Zahlung der vereinbarten Gebühren, sondern auch um Nebenleistungspflichten wie die Geheimhaltungsverpflichtung oder das Wettbewerbsverbot. Die richtige Vorgehensweise ist dementsprechend, die grundsätzlich bestehenden Verpflichtungen im Franchisevertrag zu regeln und deren nähere Ausgestaltung im Detail im Handbuch festzulegen.
Grund dafür ist, dass für Franchiseverträge, die mit einem Existenzgründer abgeschlossen werden und sich als Ratenlieferungsvertrag darstellen, gem. § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB ein gesetzliches Schriftformerfordernis gilt. Da es sich bei den meisten Franchisenehmer um Existenzgründer handelt und eigentlich jeder Franchisevertrag (und sei es nur im Hinblick auf Marketingmaterialien) eine Bezugsbindung vorsieht, besteht die Anforderung der Wahrung der Schriftform sehr häufig. Dies führt aber dazu, dass sämtliche formbedürftigen Teile des Rechtsgeschäfts einschließlich aller Nebenabreden in den Franchisevertrag aufgenommen werden müssen. Daher können diese Bereiche nicht ausschließlich in einem Handbuch geregelt werden. Wenn dies dennoch erfolgt, d. h. ein Verstoß gegen dieses Schriftformerfordernis vorliegt, kann dies gem. § 139 BGB zur Gesamtunwirksamkeit des Franchisevertrages führen.
II. Die Wechselwirkung zwischen dem Franchisevertrag und dem Handbuch
Bereits aufgrund des soeben erläuterten Schriftformerfordernisses besteht eine notwendige Wechselwirkung zwischen dem Franchisevertrag und dem Handbuch, die sich aus ausdrücklichen oder inhaltlichen Verweisungen ergibt. In dem Franchisevertrag wird die Basis der partnerschaftlichen Zusammenarbeit vereinbart, d. h. die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Rechte und Pflichten der Vertragspartner. Die nähere Ausgestaltung der vereinbarten Leistungen und Pflichten wird in das Handbuch ausgelagert. Dies hat gute Gründe, denn dadurch wird einerseits der in der Regel bereits sehr umfangreiche Franchisevertrag nicht unnötig aufgebläht. Andererseits kann ein Handbuch, anders als der Franchisevertrag, der stets nur von spezialisierten Anwälten bearbeitet werden sollte, schnell von dem Franchisegeber und dessen Mitarbeiter an neue Erkenntnisse, Änderungen in dem System etc. angepasst und die Modifikationen im Rahmen des Intra- oder Extranets veröffentlicht werden.
Diese Wechselwirkung, die in einem gut gestalteten Franchisevertrag stets vorgesehen ist, führt dazu, dass dem Franchisenehmer das Handbuch stets rechtzeitig, vollständig und ohne Mangel zu überlassen ist. Wenn dies nicht erfolgt, d. h. der Franchisenehmer sich dieses Handbuch nicht oder nicht sinnvoll nutzbar machen kann, hat der Franchisegeber eine der ihm obliegenden Hauptleistungspflichten aus dem Franchisevertrag in Form der Überlassung des systemspezifischen Know-Hows nicht erbracht. Dies bedeutet, dass der Franchisenehmer entweder die dafür vereinbarte Gegenleistung in Form der Eintritts- bzw. Einstiegsgebühr mindern oder sogar von dem Franchisevertrag zurücktreten kann.
III. Die Geltung des AGB-Rechts
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Regelungen in dem Handbuch um sog. Allgemeine Geschäftsbedingungen des Franchisegebers handelt. Diese unterliegen daher insoweit einer AGB-rechtlichen Kontrolle, d. h. auch der Inhalt eines Handbuchs sollte grundsätzlich von Rechtsanwälten auf dessen Wirksamkeit geprüft werden. Besonderer Aufmerksamkeit ist dabei zum einen dem so genannten „Transparenzgebot“ zu widmen, d. h. dem Gebot, dass die Regelungen klar und verständlich sein müssen. Zum anderen müssen die entsprechenden Klauseln angemessen sein, d. h. dürfen den Franchisenehmer nicht unangemessen benachteiligen. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen AGB-rechtliche Anforderungen wäre, dass die gesamte diesbezügliche Regelung in dem Handbuch als unwirksam wegfällt.
Zudem muss dem Franchisenehmer, um in AGB-rechtlicher Hinsicht eine wirksame Einbeziehung der Regelungen aus dem Handbuch in das Franchiseverhältnis zu gewährleisten, vor Abschluss des Franchisevertrages die Gelegenheit gegeben werden, in zumutbarer Art und Weise von dem Inhalt des Handbuchs Kenntnis zu erlangen. Eine Aushändigung des Handbuchs vor Abschluss des Franchisevertrages bis zu dem Zeitpunkt des Ablaufes der 14-tägigen Widerrufsfrist nach Vertragsabschluss verbietet sich aber im Hinblick auf den erforderlichen Schutz des systemspezifischen Know-hows. Daher ist zu empfehlen, bis zum Ablauf der Widerrufsfrist von einer Aushändigung abzusehen und dem Franchiseinteressenten nur eine ausführliche Einsichtnahme unter Aufsicht zu gewähren.
IV. Die Aufnahme eines Änderungsvorbehalts
Aufgrund des Inhalts eines Handbuchs, der grundsätzlich von der Festlegung der verbindlichen Systemvorgaben in Form der Richtlinien bis hin zur Darstellung der Prozesse und des täglichen Geschäftsablaufs reichen kann, muss die Möglichkeit bestehen, dass dieser jederzeit modifiziert werden kann. Da der Franchisegeber darüber hinaus zu der Weiterentwicklung des Franchisekonzepts verpflichtet ist, ist bei der Gestaltung eines Handbuchs unbedingt dafür Sorge zu tragen, dass sein Inhalt an entsprechende Änderungen angepasst werden kann.
Folglich ist zum einen die Aufnahme eines Änderungsvorbehaltes in das Handbuch zwingend geboten und zum anderen auch in dem Franchisevertrag im Hinblick auf das Handbuch zu empfehlen. Da es sich bei der Ausübung eines solchen Änderungsvorbehalts allerdings um ein einseitiges Bestimmungsrecht des Franchisegebers handelt und manche Änderungen einen erheblichen Investitionsbedarf für die Franchisenehmer auslösen können, ist der Franchisegeber nach Treu und Glauben verpflichtet, die Interessen des Franchisenehmers zu berücksichtigen. Um daher zu verhindern, dass der Änderungsvorbehalt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB darstellt, d.h. in AGB-rechtlicher Hinsicht unwirksam ist, sind die modifizierbaren Bereiche möglichst genau festzulegen. Des Weiteren ist die Leistungsfähigkeit der Franchisenehmer, zum Beispiel durch eine Einschränkung ihrer Kostentragungspflicht oder die Vereinbarung gewisser Übergangsfristen für die Durchführung der Kosten auslösenden Änderungen, zu berücksichtigen.
V. Reduzierung des Ausmaßes an Richtlinien
Obwohl dem Franchisegeber natürlich ein fachliches Direktionsrecht und die Befugnis zur Gestaltung von Qualitäts- und Verhaltensstandards zusteht, sollten verbindliche Systemvorgaben in Form von Richtlinien im Handbuch auf das erforderliche Minimum reduziert werden. Grund dafür ist, dass dann, wenn der Franchisegeber in dem Handbuch neue Weisungs- und Kontrollrechte, die über die Regelungen des Franchisevertrages hinausgehen, festlegt, die unternehmerische Selbständigkeit des Franchisenehmers beeinträchtigt werden kann.
Daher sollte, um die Einhaltung der Selbständigkeitskriterien analog § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB zu gewährleisten, das Handbuch einerseits Richtlinien und andererseits unverbindlichen Empfehlungen enthalten. Wenn der Franchisenehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen kann, ist es nicht problematisch, wenn in dem Handbuch zur Wahrung der Corporate Identity und zur Erreichung einheitlicher Qualitätsstandards eine gewisse Anzahl von Richtlinien enthalten ist, z.B. zur Ausstattung des Franchisebetriebs, zur Einhaltung des Marketingkonzepts, zur Präsentation des Warensortiments, zur Werbeausstattung und zur Bekleidung des Personals. Es geht letztendlich nur darum, den Inhalt des Handbuchs ausgewogen zu gestalten, d.h. nicht nur mit bloßen Muss-Vorschriften zu arbeiten.
VI. Nachweis der Kenntniserlangung seitens des Franchisenehmers
Das beste Handbuch nützt wenig, wenn seitens des Franchisegebers nicht nachgewiesen werden kann, dass der Franchisenehmer Kenntnis von dem Inhalt dieses Handbuchs und aktueller Änderungen erhalten hat. Obwohl die Digitalisierung der Handbücher und die damit verbundene Möglichkeit, die jeweils aktuelle Version des Handbuchs in einem passwortgeschützten Intra- oder Extranet zu hinterlegen, diese Nachweispflicht des Franchisegebers deutlich erleichtert hat, sind hier leider immer wieder erhebliche Versäumnisse festzustellen.
Der Franchisegeber sollte daher unbedingt einen Mechanismus festlegen, im Rahmen dessen dauerhaft gespeichert wird, wann ein Franchisenehmer Zugriff auf das Handbuch bzw. dessen Änderungen genommen hat. Des Weiteren ist zu empfehlen, schon in dem Franchisevertrag zu vereinbaren, dass der Franchisenehmer verpflichtet ist, sich in regelmäßigen Abständen in das Intra- bzw. Extranet einzuloggen, so dass er quasi gezwungen wird, sich Kenntnis von etwaigen, dort hinterlegten Handbuchänderungen zu verschaffen.
VII. Resümee
Aufgrund der Wechselwirkung zwischen Franchisevertrag und dem Handbuch und den dargestellten rechtlichen Anforderungen empfiehlt es sich, einen auf Franchiserecht spezialisierten Juristen bei der Gestaltung eines Handbuchs mitwirken zu lassen. Dieser muss das Handbuch selbstverständlich nicht erstellen, sollte allerdings im Rahmen einer Endkontrolle überprüfen, ob
- in dem Handbuch nicht über den Franchisevertrag hinausgehende Pflichten vereinbart werden,
- die Verweisungen des Franchisevertrages auf das Handbuch nicht ins Leere gehen,
- der Inhalt des Handbuchs in den AGB-rechtlich überprüfbaren Bereichen ausreichend transparent und inhaltlich angemessen gestaltet ist,
- der Änderungsvorbehalt in dem Handbuch den Anforderungen der Rechtsprechung genügt,
- ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Richtlinien und bloßen Empfehlungen besteht, und
- ein belastbarer Mechanismus geschaffen worden ist, mit dessen Hilfe belegt werden kann, dass der Franchisenehmer Kenntnis von dem Inhalt des Handbuchs und diesbezüglichen Änderungen erhalten hat.